Nach anderthalbjähriger Vorbereitung ist heute der Rat der Religionen gegründet worden. Dem Rat gehören Spitzenvertreter der Schweizer Landeskirchen, der Juden und der Muslime an. In Bern unterzeichneten sie in einem feierlichen Akt das gemeinsam erarbeitete Mandat. Der Rat der Religionen wird als Dialogplattform zwischen Verantwortlichen der Religionsgemeinschaften sowie als Ansprechpartner für die Bundesbehörden dienen.
Novum und Meilenstein
Die Gründung des Schweizerischen Rates der Religionen (Swiss council of religions: SCR) stellt sowohl ein Novum als auch einen Meilenstein dar. Ein Novum für die Schweiz ist das Gremium von seiner Zusammensetzung und seinem Zweck her: von ihren Gremien gewählte und mandatierte Personen aus den Leitungen der Kirchen und Religionsgemeinschaften werden sich regelmässig zum gegenseitigen Austausch treffen. Ein Meilenstein ist die Gründung des SCR, weil sie auf nationaler Ebene für den Prozess der Verständigung und des Dialogs zwischen den Kirchen und Religionsgemeinschaften als Ganzes Vorbildcharakter hat.
Neue religiöse Landkarte
Die religiöse Landkarte der Schweiz und die Funktion von Kirchen und Religionsgemeinschaften in der Gesellschaft haben sich stark verändert. Noch vor 30 Jahren bezeichneten sich über 90% der Schweizerinnen und Schweizer als einer der drei christlichen Landeskirchen zugehörig. Dieses Bild hat sich im Zuge von Globalisierung und weltweiter Migrationsbewegungen gewandelt. Die Schweiz ist zu einem Raum geworden, in dem Menschen aus verschiedensten Kulturen und Traditionen mit unterschiedlichen Wertesystemen zusammenleben – eine gemeinsame Herausforderung im Hinblick auf den gesellschaftlichen Zusammenhalt und das friedliche Zusammenleben.
Ziele und Mandat
Mit der Schaffung eines Schweizerischen Rates der Religionen verbinden die beteiligten Kirchen und Religionsgemeinschaften folgende Zielsetzungen:
- Einen Beitrag zum Erhalt und zur Förderung des religiösen Friedens in der Schweiz,
- die Verständigung unter den Teilnehmenden über gemeinsame Anliegen,
- die Vertrauensbildung zwischen den Religionsgemeinschaften,
- den Dialog zu aktuellen religionspolitischen Fragestellungen,
- eine Ansprechmöglichkeit für Bundesbehörden in diesen Fragen.
Zusammensetzung und Geschichte
Der SCR setzt sich aus leitenden Persönlichkeiten der drei Landeskirchen und der jüdischen Gemeinschaften und muslimischen Organisationen zusammen, die von ihren Institutionen oder Organisationen mandatiert sind. Initiator und erster Vorsitzender des SCR wird Pfarrer Thomas Wipf, Präsident des Rates des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes (SEK). Wipf hatte die Idee zur Schaffung eines Rates der Religionen lanciert. Am Vorabend des Irak-Krieges vor drei Jahren fand auf Initiative des SEK im Berner Münster zum ersten Mal eine Friedensfeier mit Vertretern der drei monotheistischen Religionen Judentum, Christentum und Islam statt. Daraus entstand die Idee, einen Ort der regelmässigen Begegnung und des Gesprächs zu schaffen – ganz im Zeichen der gemeinsamen Verantwortung der Landeskirchen und Religionsgemeinschaften zum Erhalt und zur Förderung des religiösen Friedens in der Schweiz.
Gesichtspunkte der Mitglieder
Mit dem SCR sei den politischen Behörden unseres Landes nun ein repräsentativer Gesprächspartner gegeben, der jede religiöse Frage allgemeiner Ordnung kompetent behandeln könne, meinte Alfred Donath (SIG) an der Gründungsversammlung. «Sie können auf ein Gremium zählen, das sich die Förderung und Erhaltung des religiösen Friedens in der Schweiz zum Ziel gesetzt hat, damit jeder Mann und jede Frau, unabhängig von den eigenen Überzeugungen, sich hier wohl fühlen und, falls gewünscht, die eigene Differenz leben kann – allerdings innerhalb der Grenzen der Achtung der Anderen, des Anderen.»
Die Bevölkerung unseres Landes brauche Zeit, Religionen, die nicht traditionell in unserem Land verwurzelt seien, kennen zu lernen, hielt seinerseits Fritz-René Müller (Christkatholische Kirche der Schweiz) fest. Hisham Maizar (FIDS) meinte, dass die Muslime «als Teil unserer Gesellschaft sowohl in die Pflicht als auch in die Verantwortung genommen werden möchten, um konstruktiv und effektiv auf der Grundlage von Dialog, Achtung der menschlichen Werte und gegenseitigem Respekt an der Sicherung des interreligiösen Friedens mitzuarbeiten».
Für Bischof Kurt Koch (SBK) ist der SCR auch ein öffentliches Bekenntnis dazu, «dass die Religion sehr wohl eine persönliche Angelegenheit des einzelnen Menschen ist, deshalb jedoch nicht in die Privatsphäre abgedrängt werden darf: Die Religion ist persönlich, aber nicht privat. Sie ist auch nicht staatlich, aber öffentlich.» Die moralische Bedeutung des Rates der Religionen, so zeigte sich Farhad Afshar (KIOS) überzeugt, weise weit über seine faktischen Arbeitsmöglichkeiten hinaus. «Das wichtigste Ergebnis der Gründung des Rates ist die entstandene Vertrauensbildung zwischen den Religionsgemeinschaften.»
Mitglieder
- Pfarrer Thomas Wipf, Präsident des Rates des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes (SEK), erster Vorsitzender des SCR;
- Bischof Dr. Kurt Koch, Vizepräsident und Ökumeneverantwortlicher der Schweizer Bischofskonferenz (SBK);
- Bischof Fritz-René Müller, Christkatholische Kirche der Schweiz;
- Prof. Dr. Alfred Donath, Präsident des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebundes (SIG);
- Dozent Dr. Farhad Afshar, Präsident der Koordination Islamischer Organisationen Schweiz (KIOS);
- Dr. Hisham Maizar, Präsident der Föderation Islamischer Dachorganisationen in der Schweiz (FIDS).