Der Eidgenössische Dank-, Buss- und Bettag ist für uns als Vertreterinnen und Vertreter der muslimischen, jüdischen und christlichen Gemeinschaften in der Schweiz eine wichtige Gelegenheit, innezuhalten und über unsere gemeinsame Verantwortung und die uns geschenkten Chancen nachzudenken. 

Wir haben in der Schweiz viel Grund zur Dankbarkeit. Die Schweiz ist ein Land des Friedens, politisch neutral und seit vielen Jahren von Kriegen verschont. Wir haben einen der höchsten Lebensstandards der Welt, eine ausgezeichnete Gesundheitsversorgung, ein integratives und zukunftsfähiges Bildungssystem und ein starkes Netz, das Kinder und RentnerInnen, Kranke und Bedürftige auffängt und trägt. Unsere demokratischen Verfahren der direkten Mitbestimmung, die kulturelle Vielfalt und die hohe Toleranz zwischen und gegenüber unterschiedlichen Kulturen, Religionen und Lebensformen stützen den sozialen und religiösen Frieden in unserem Land. Die Kombination von hoher Lebens­qualität, politischer Stabilität, wirtschaftlicher Prosperität und kultureller Vielfalt schafft ein Umfeld, in dem sich Menschen entfalten können. In der Schweiz zu leben ist ein Geschenk.

Aber es ist mehr als ein Geschenk. Demokratie, Religionsfrieden und eine liberale, tolerante Kultur sind nicht vom Himmel gefallen. Sie sind Zwischenresultate langer, schmerzhafter und manchmal blutiger Lernprozesse. Demokratie, Menschenrechte und Freiheit sind weltweit durch politisch instrumentalisierte gruppenbezogene Menschen­feindlichkeit bedroht. Wer diese Errungenschaften bewahren will, darf sie nicht für selbstverständlich nehmen, sondern muss gegen Frauenfeindlichkeit, Antisemitismus, Islamophobie, Kirchenfeindlichkeit, Rassismus und Nationalismus kämpfen. Wo unsere Religionsgemeinschaf­ten solchen Haltungen und Ideologien Vorschub leisten oder sich dafür instrumenta­lisieren lassen, machen wir uns als Glaubensgemeinschaften schuldig. Unser Glaube gibt uns nicht nur spirituelle Orientierung, sondern nimmt uns auch in die Verantwortung für unsere Nächsten, besonders für die, die uns noch fremd sind.

Im Geist der Dankbarkeit und des daraus motivierten Engagements wollen wir als Vertreterinnen und Vertreter der jüdischen, christlichen und muslimischen Gemein­schaften und Kirchen in der Schweiz unseren Beitrag zu einer friedlichen und gerechten Gesellschaft leisten. Möge dieser Tag uns alle inspirieren, uns für den Frieden und das Wohlergehen aller Menschen einzusetzen. Wir laden unsere Kirchen und Glaubens­gemeinschaften sowie alle Menschen guten Willens ein, mit uns die nachfolgenden Worte als Grundlage für ihre jeweiligen Gebete zu verwenden:

Gott, der du uns alle liebst,

wir kommen zusammen, aus verschiedenen Religionen, aber in unseren Wünschen und Hoffnungen vereint. Wir danken dir für die vielen Privilegien, die wir hier in der Schweiz geniessen dürfen: Frieden, Wohlstand und die Freiheit, unseren Glauben zu leben.

Wir wissen, dass wir unserer Verantwortung gegenüber deinen Geschöpfen und deinen Werten noch nicht gerecht werden. Manchmal vergessen wir, wie gut es uns geht, und übersehen jene, die unsere Hilfe brauchen. Wir bereuen unsere Fehler und bitten dich um Vergebung und die Kraft, es besser zu machen.

Lass uns gemeinsam allem entgegentreten, was menschenverachtend ist. Gib uns den Mut, unsere Stimme zu erheben gegen Hass, Rassismus und Unrecht. Mach uns zu einem Werkzeug deines Friedens, lass uns deine Liebe und Güte widerspiegeln.

Danke, dass du uns hörst und uns auf diesem Weg begleitest.

Die Unterzeichnenden

Mgr. DDr. Felix Gmür, Präsident Schweizer Bischofskonferenz SBK

Önder Günes, Präsident der Föderation Islamischer Dachorganisationen Schweiz FIDS

Pfrn. Rita Famos, Präsidentin der Evangelisch-reformierten Kirche Schweiz EKS

Ralph Friedländer, Präsident Schweizerischer Israelitischer Gemeindebund SIG

Bischof electus Frank Bangerter, Bischof Christkatholische Kirche Schweiz CKS

Dr. Farhad Afshar, Präsident Koordination Islamischer Organisationen Schweiz KIOS

Metropolit Maximos der Schweiz, Metropolit der Schweiz (Ökumenisches Patriarchat)

Pfr. Jean-Luc Ziehli, Präsident der SEA-RES und Freikirchen.ch